Haushaltsrede Stadtratsfraktion SPD/ÖDP 2024

Stadtratsfraktion SPD / ÖDP

Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. Wer diesem Haushalt nicht zustimmen kann, ist im falschen Film.
Das Gesamtvolumen des HH 2024 mit 87,5 Millionen Euro ist rekordverdächtig - auch die Länge des Zahlenwerkes mit 373 Seiten, aber das nur am Rande. Interessanter ist da schon der Blick über den Tellerrand bzw. in andere Landkreise. Der Haushalt 2024 der Stadt Straubing mit 50.000 Einwohnern umfasst 200 Millionen Euro, der Haushalt 2023 der großen Kreisstadt Schwandorf mit 30.000 Einwohnern umfasste 122 Millionen. Die Stadt Cham investiert in der Krise und kann das auch, weil die Rahmendaten - noch - stimmen.
Eine Rekordeinnahme von nicht erwarteten 27 Mio. Gewerbesteuer, 10,4 Mio. Einkommenssteueraufkommen, 26 Mio. Rücklagen, historisch niedriger Schuldenstand von 4,3 Mio. Das führt dazu, dass wir eine Rekord-Kreisumlage in Höhe von 14,25 Mio. Euro zahlen dürfen. Bei der Steuerkraft unter 2000 Kommunen in Bayern liegen wir auf Rang 134. Unsere Heimatstadt ist von der Finanzkraft her wieder einmal im Spitzentrio des Landkreises vertreten hinter den Gemeinden Wald und Zandt. Wenn alle Kommunen in Deutschland so gute Voraussetzungen hätten, dann müsste niemandem bang sein. Denn die im HH 2024 vorgeschlagenen Investitionen in Kinder, junge Menschen, ältere Menschen und Infrastruktur halten jedem Benchmark stand.
Es sei kein Geld in den öffentlichen Kassen, hieß es bei der jüngsten Tarifrunde im öffentlichen Dienst der Länder. Hoppla, am Wochenende einigte man sich auf einen Abschluss. Geld scheint also da zu sein, nur offenbar falsch verteilt!

Überall wird in diesen Tagen über die fehlende Planbarkeit gejammert, die das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und des damit verbundenen Haushaltsloches auf Bundesebene noch verstärkt hat. Die Ampel kann es nicht, höhnen hochrangige Politiker. Es gibt das schöne Sprichwort: „die Geister die ich rief“. Die Klage der Union hat uns allen einen Bärendienst erwiesen und wird auch auf die Stadt Cham zurückschlagen – egal welches Parteibuch das Stadtoberhaupt hat. Bereits jetzt blicken aufstrebende Ministerpräsidenten und potentielle Kanzlerkandidaten mit Sorge auf die Jahre nach 2025. Das Geld wird fehlen – egal ob im Land oder in der Kommune. Verteilungskämpfe werden härter und ein Stopp von Klimaschutzprojekten dürfte sich für nachfolgende Generationen als fatal erweisen. Oder ist jemand so naiv zu glauben, dass ganz plötzlich eine Ära des Friedens und des Wohlstandes für alle auf dieser Welt ausbricht?
Unter diesen Rahmenbedingungen legen wir das uns anvertraute Geld der Bürgerinnen und Bürger 2024 sinnvoll an. Denn am Horizont stehen schon weitere Maßnahmen wie Neubau Feuerwache, Sanierung und Neukonzeptionierung Grundschule, Generalentwässerungsplan, Umzug Jugendzentrum, Ausbau Flutbrücke, Weiterführung der Baumaßnahmen Begegnungszentrum und Sanierung städtischer Wohnungen inkl. eines Gebäudes komplett barrierefrei, um nur einige Projekte zu nennen.

Was wir heute tun, entscheidet für die Zukunft. Banal, aber wahr. Deshalb investieren wir in die frühkindliche Bildung insgesamt 3,25 Mio. Euro und in 368.000 Euro für die digitale Ausstattung der Schulen, für die wir verantwortlich sind. Klar sind wir alle der landläufigen Meinung, dass unsere Kinder und Enkel in der Grundschule erst mal ordentlich lesen, schreiben und rechnen lernen sollten, statt zu wischen. Vertrauen wir hier dem Fachpersonal und den bereits vorhandenen Fähigkeiten der Kinder. Denn wir wissen, dass unsere Arbeitsplätze von morgen anders sein werden.
Deshalb müssen wir auch die Steigerung bei den Personalkosten von 1,2 Mio. auf 13,5 Mio. als nicht nur zwingende, sondern auch notwendige Investition sehen. Wie sonst sollen wir junge Menschen dafür begeistern, bei der Stadt Cham zu arbeiten.
Lassen Sie mich den Stellenwert von freiwilligen Leistungen in Höhe von 2,34 Mio. Euro anführen. Diese „Kosten“ tragen dazu bei, unsere Stadt noch lebenswerter zu machen. Auf Kreisebene betrugen diese Leistungen 2023 übrigens insgesamt 2,2 Mio. Leere Straßen und Plätze in der Innenstadt, hartnäckige Leerstände in 1a-Lagen. Ein Citymanager oder Citymanagerin soll es richten. Uns allen ist klar: Leerstand beseitigen benötigt mehr als die Ideen eines einzelnen Menschen. Hier müssen viele kleine und große Rädchen ineinandergreifen. Mit der Beratung durch Imakomm, der Implementierung von Citymanagement, dem aktualisierten Gesamtstädtischen Entwicklungskonzeptes, der Steigerung von Aufenthaltsqualität, der Unterstützung des Neustarts des Vereins Cham erleben e.V. hat die Stadt einige Hausaufgaben bereits abgearbeitet. Der allgegenwärtige Strukturwandel in unserer Innenstadt kann aber nicht allein durch politisch Verantwortliche abgefedert werden, dazu braucht es eine Kraftanstrengung aller Akteure und Engagierten und vor allem Lust daran, den Wirtschafts- und Handelsstandort Cham gemeinsam zu vermarkten. Wenn jene, die am lautesten über den Standort mäkeln auch diejenigen sind, die am engagiertesten anschieben, dann kann ein großes Rad gedreht werden.
Genauso wie die Belebung der Innenstadt hängt die Steigerung des Alltagsradverkehrs in Cham von vielen Faktoren ab. Wir begrüßen das Fahrradkonzept und seine schrittweise Umsetzung, denn es schafft attraktivere Bedingungen für den Radverkehr in Cham. Jeder, der zusätzlich auf dem Weg in die Arbeit vom Auto auf das Rad umsteigt und jede, die zusätzlich für Besorgungen das Auto zugunsten des Fahrrades stehen lässt, ist für die Stadt ein Gewinn in mehrfacher Hinsicht. Das ist keine belächelte Ökoromantik, sondern ein konkreter Beitrag zur notwendigen Mobilitätswende auch abseits von Großstädten.
Tun wir bereits alles Mögliche, wenn es um Nachhaltigkeit und kommunalen Klimaschutz geht? 2024 investiert die Stadt in einige PV-Anlagen für öffentliche Gebäude, in die energetische Sanierung von städtischen Wohnungen und in den Ausbau der LED-Straßenbeleuchtung.
Unsere Beteiligung am GKU Regionalwerke wird uns mittelfristig helfen, günstigen Strom nachhaltig zu erzeugen und günstig an die Bürger und die regionale Wirtschaft zu verkaufen, wenn wir zusätzlich die Unsicherheiten bei Speicherung und Netzeinspeisung dieser Energie beseitigt haben. Denn erfolgreiche Transformation und wirksamer Klimaschutz brauchen Investitionen. Natürlich freuen wir uns, wenn wir Grundstücke für neue Gewerbegebiete und neue Baugebiete erwerben können. Der Druck der jetzigen Generation nach diesen Flächen ist groß. Aber müssen wir nicht gerade beim Thema Versiegelung und Flächenverbrauch ein Vorbild sein für die nächsten Generationen? Neue Nutzungskonzepte für bereits bebaute Flächen, Sanierungen von Leerstand und brachliegenden Flächen müsste doch das Gebot der Stunde sein und sich im Haushalt mindestens gleichwertig niederschlagen. Wir fordern das Thema kommunale Klimapolitik noch strategischer anzugehen.

„Wer zu viele Visionen hat, braucht einen Psychiater“. Diese Auffassung teilt unsere Fraktion nicht, wenn es um die Transformation unserer Kommune geht. Wir müssen nicht nur den Winter für Pläne gegen die Sommerhitze nutzen. Denn die wachsende Hitze wird unser aller Leben verändern.
Offenbar reicht es nicht aus, dass alle Fraktionen das Schlagwort Hitzeschutzmanagement in ihre Bedarfsmeldungen schreiben. Wir dürfen nicht nur über Wege für eine kühlere Stadt an Hitzetagen nachdenken, sondern zügiger und strategischer handeln. Mehr Bäume, ein begrünter Marktplatz, Förderung von Balkon-PV, Vorgaben von Zisternen und Dachbegrünung beim Neubau werden nicht ausreichen, um die Schäden auszugleichen, die der Klimawandel auch in einer Kommune wie Cham verursachen wird.
Der hohe Stellenwert der grauen Infrastruktur (Gebäude, Straßen, Plätze) wird gegenüber der blauen und grünen Infrastruktur sinken müssen. Konzepte zur Hitzeschutzplanung, Ausbau als Schwammstadt und Schutz vor extremen Wetterereignissen sind die Themen der Stunde, die wir konsequent beackern müssen. Denn es sind längst wissenschaftlich bewiesenen Herausforderungen und keine Visionen von Ökospinnern mehr. Bei der Präsentation der Maßnahmenliste auf dem Weg zu einem aktualisierten/neuen ISEK (integriertes Stadtentwicklungskonzept für die Stadt Cham) habe ich zu oft die Aussagen „Nein, zu teuer, haben wir schon“ gehört. Unsere Fraktion wünscht sich, dass wir diesen Vorschlägen mehr Raum zur Entfaltung geben. Machbarkeitsstudien sind immer akzeptabel, wenn es um die Zukunft unserer Stadt geht, aber kein Nein, das Visionen mit einem Federstrich vom Tisch wischt, nicht mal Spezialideen unseres Stadtbaumeisters.
Wir fordern eine kommunale Förderrichtlinie „Gemeinsam für mehr Grün in Cham“. Damit können wir jedes Jahr Mittel (freiwillige Leistungen) in unserem Haushalt bereitstellen, die als Basis für ein finanzielles Anreizsystem dienen, um Maßnahmen zur Klimaanpassung auch für Privatpersonen attraktiver zu machen. Und zwar nicht nur in Neubaugebieten, sondern vor allem im Bestand. Dazu zählen z.B. Förderung bei der Dachbegrünung, Fassadenbegrünung, bei der Entsiegelung und Begrünung von Höfen und Freiflächen, für die Baumpflanzung, für das Anlegen von Blühflächen u.v.m. Immerhin akzeptiert die Mehrheit des Rates inzwischen zähneknirschend den erhöhten Aufwand für die systematische Erfassung, Pflege und Nachpflanzung von Bäumen im Stadtgebiet.
Als positives Beispiel für die Umsetzung innovativer Ideen möchte ich den neuen Bürgerhaushalt nennen. Bürgerinnen und Bürger fühlten sich gehört und ernst genommen, es wurden interessante Vorschläge gemacht, der Stadtrat konnte mitreden und zeitnah werden die ersten drei Vorschläge umgesetzt. Neudeutsch nennt man das Community Involvement – mehr davon!

Erfreulich ist auch, dass im Begegnungszentrum St. Michael Bewegung ist – sowohl auf der Baustelle, als auch bei der Finanzierung. Mehr als die Hälfte unseres Zuschusses an die Bürgerspitalstiftung haben wir schon ab finanziert. An dieser Stelle möchte unsere Fraktion die Arbeit des Kämmerers und seines Teams hervorheben und ein Lob für das Zahlenwerk aussprechen.
Für unsere Fraktion gibt es aber auch Schattenseiten im Haushalt 2024. Mehr als zäh geht es mit der Zukunftsplanung unseres Friedhofes voran. Wenn unser Planer wie bisher nur einmal im Jahr auftaucht, dann wird dieses Konzept wohl eines für die Ewigkeit. Die Sanierung der Aussegnungshalle ist sicherlich notwendig, zahlt aber nicht prioritär auf einen Friedhof der Zukunft ein – einen Ort der Würdigung unserer Verstorbenen, aber auch einen Ort der Begegnung und Erinnerung und eine grüne Oase in der Stadt.
Während andere Kommunen im Landkreis für ihre in die Jahre gekommenen Sportgelände moderne Sportparks entwickeln, stagnieren die Planungen für die Sanierung unseres städtischen Stadions. Vielleicht sind bei diesem Projekt Umdenken und Neuanfang nötig?

Schade, dass unser Vorschlag zur Erarbeitung eines Konzeptes zur Einführung einer Rente/Anerkennungsprämie für ehrenamtlich tätige Feuerwehrmänner- und -frauen kein Gehör gefunden hat. Klar müssten wir dann auch Aktive in anderen Hilfeorganisationen einbeziehen. Sicherlich gehen wir langfristige Verpflichtungen ein, solange wir leistungsfähig sind. Aber wäre das nicht gut investiertes Geld in Menschen, die sich aktiv für die Gemeinschaft engagieren??
Aus verschiedenen Gründen noch etwas gedulden müssen wir uns wohl auch bzgl. unserer Vorschläge zur Konzeption einer demenzfreundlichen Kommune und einer Toilette für Alle im Zuge des Neubaus der Flutbrücke Stadellohe.

Raten Sie mal, was für die Planungen des HH 2024 auch Rekordausmaße angenommen hat? Die Haushaltsbedarfsmeldungen der einzelnen Stadtratsfraktionen. Gerüchten zufolge führten diese zu einem nächtlichen Streichorchester, die so manche Knabenmorgenblütenträume dahinschmelzen ließen wie der Schokoschneemann aus unserer Städtepartnerstadt Zele vom vergangenen Wochenende. In der Realität ist zwar kein Stadtteil leer ausgegangen, unser Bürgermeister übte sich aber schon mal im Nein-Sagen – diese neue Fähigkeit wird das Stadtoberhaupt in den nächsten Jahren weiter einsetzen müssen. Heißt doch das Wort des Jahres 2023 Krisenmodus. Hinter den Kulissen wird kolportiert, dass der Westen dem Osten der Stadt gerade noch rechtzeitig ein paar Appetithappen weggeschnappt hat.

Apropos Fähigkeit: wussten Sie, dass der Bürgermeister bereits in seinen AOK-Tagen gelernt hat, wie man den Äffchen im Nacken die kalte Schulter zeigt? Klappt allerdings nicht immer – aber immer häufiger.
Haushalt 2024 in Cham gewuppt – Handlungsfähigkeit erhalten – alles gut? Die Mahner setzen gleich ein ABER dazu. Denen möchten wir ins Stammbuch schreiben: unsere Rücklagen resultieren aus Steuerzahlungen unserer Bürgerinnen und Bürger und den Betrieben. Es ist nicht Sinn und Zweck dieser Einnahmen, Rücklagen anzuhäufen – auf die wir vor nicht allzu langer Zeit noch Negativzinsen bezahlt haben – sondern diese im Sinne unserer Bevölkerung zukunftsweisend einzusetzen.

Deshalb danken wir allen aufrichtig, die sich tagtäglich für unsere Heimatstadt einsetzen – Jeder und Jede an der Stelle, an der er/sie am besten wirken kann. Wir wünschen Ihnen Allen ein friedvolles Weihnachtsfest und einen schönen Start ins neue Jahr, verbunden mit unseren besten Wünschen für Ihre Gesundheit. Möge mehr Zufriedenheit und mehr Offenheit gegenüber unseren Mitmenschen in unser Leben zurückkehren.

Claudia Zimmermann, Fraktionssprecherin SPD/ÖDP